Kategorie Gender – Ist das Wissenschaft oder kann das weg? Virtueller Studientag zu einem konflikthaften Thema
KSH, Campus Benediktbeuern,
Anfang Dezember fand ein Studientag zum Thema „Gender“ statt, den Prof. Dr. Luise Behringer vom Campus Benediktbeuern der KSH München und Prof. Dr. Barbara Thiessen von der Hochschule Landshut organisiert haben. Etwa 100 Studierende und Interessierte waren online zugeschaltet, um über das Thema „Gender“ aus theologischer Perspektive und mit Blick auf Soziale Arbeit zu diskutieren.
Es waren mehr als 100 Teilnehmende zugeschaltet, einige sitzen tatsächlich in Benediktbeuern vor den Rechnern, die meisten sind aber von überall her zugeschaltet, u. a. aus München, Augsburg, Landshut und aus Osnabrück. Luise Behringer, Professorin für Psychologie am Campus Benediktbeuern, die den Fachtag gemeinsam mit ihrer Kollegin Barbara Thiessen, Professorin für Soziale Arbeit und Gender Studies an der Hochschule Landshut, organisiert hat, freut sich über die rege Teilnahme im virtuellen Raum: „Wir hätten den Tag gerne in Präsenz durchgeführt, so muss unter winterlichen Bedingungen immerhin niemand anreisen und kann bequem von Zuhause aus teilnehmen.“
Der Nachmittag wird dennoch weniger gemütlich als vielmehr äußerst anregend, denn die Frage nach Gender als wissenschaftlicher Kategorie stellt sich allen Disziplinen, wie Sozialer Arbeit, Pädagogik und eben auch Theologie. Gerade dort wird über „gender“ mitunter hitzig diskutiert: Die Überlegungen zu Gender als „sozialem Geschlecht“ reicht von der Forderung nach Unisex-Toiletten an Hochschulen bis hin zur Frage, ob man „Gott*“ schreiben sollte, wie es die Katholische Jugend neuerdings macht. Um diesen Fragen fachlich fundiert nachgehen zu können, haben Behringer und Thiessen Prof. Margit Eckholt von der Universität Osnabrück eingeladen, die die Professur für Dogmatik und Fundamentaltheologie innehat. Sie hat auf dem Campus Benediktbeuern gelehrt und gilt heute als ausgewiesene und international anerkannte Expertin zu Gender in der katholischen Theologie.
Sie gibt einen kurzen Abriss über die Behandlung des Begriffs durch die Katholische Kirche und wie es aktuell in der theologischen Diskussion darum bestellt ist: „Die moderne Kirche vertritt ein Handeln, das geschlechtersensibel ist, also Vielfalt ermöglichen soll – wenn dies auch in der Bildungskongregation im Juni 2019 nicht schriftlich umgesetzt wurde,“ berichtet sie und führt aus, dass immer noch Homophobie und Ängste vor einer Auflösung traditioneller Familienformen die internen Debatten beeinflussen: „Dabei müsste die Frage letztlich heißen: Was ist das Bild, nach dem Menschen an sich geschaffen sind, und was ist überhaupt Menschsein?“
Eckholt sieht in der biblischen Schöpfungsgeschichte keine Hierarchie: „Dort steht - in der modernen Übersetzung – ‚Er erschuf den Menschen männlich und weiblich‘, eigentlich gibt es also keine Geschlechter-Determinierung, die sich aus der Bibel herauslesen ließe,“ so ihr Fazit des sogenannten „Imago Dei“, also der Frage nach dem Bild Gottes. Barbara Thiessen fasst in ihrem anschließenden Kommentar diese Idee noch einmal zusammen: „Die Idee des ‚Imago Dei‘ fordert zur Freiheit auf. Das ‚Ich‘ entwickelt sich erst mit seiner Biografie. Dazu braucht es auch ein unterscheidbares ‚Du‘ - Geschlecht ist vielleicht nur eine Chiffre dafür.“ Aus diesen Gründen sei eine Sensibilität gegenüber der Kategorie Gender besonders in der Sozialen Arbeit wichtig, wo Menschen in ihrer Entwicklung begleitet werden. Zudem „sehen wir oft die ‚dunkle Seite der Geschlechterdifferenzierung‘,“ wenn es etwa um Gewalt gegen Frauen oder um die Diskriminierung einer als abweichend geltenden Sexualität geht.
Zum Abschluss wird nach verschiedenen Workshops in Kleingruppen noch kontrovers diskutiert, wie Gleichberechtigung in den unterschiedlichen Berufsfeldern konkret werden kann und warum in der Katholischen Kirche Frauen nicht zum Priesteramt zugelassen sind. Die Antwort, dass ja Jesus ein Mann gewesen sei, lässt Margit Eckholt nicht gelten, denn schließlich hieße das ja: „dass, wenn wir wüssten, dass Jesus schwarzhaarig war, es auch nur schwarzhaarige Priester geben dürfe.“ Theologisch bedeutsamer sei dagegen, dass in der Figur des Christus Geschlechterdifferenzen als aufgehoben gelten.
So endet der Nachmittag mit der Feststellung, dass es noch einiges zu tun gibt, bis die Verschrän-kung von sozialem und biologischem Geschlecht auch in kirchlichen Kontexten als menschliche Bedingtheit verstanden wird und Gleichstellungsanliegen weiter vorangebracht werden. Margit Eck-holt gibt den Studierenden zum Abschluss den Rat: „Traditionen können nicht einfach abgeschnitten werden, denn es geht darum, Geschichte weiter zu entwickeln, indem man sich mit der Geschichte an sich beschäftigt.“ Das haben die Studierenden an diesem eindrücklichen Nachmittag auf alle Fälle mit großer Hingabe getan.
Presse Kontakt
Kategorie Gender – Ist das Wissenschaft oder kann das weg? Virtueller Studientag zu einem konflikthaften Thema
KSH, Campus Benediktbeuern,
Anfang Dezember fand ein Studientag zum Thema „Gender“ statt, den Prof. Dr. Luise Behringer vom Campus Benediktbeuern der KSH München und Prof. Dr. Barbara Thiessen von der Hochschule Landshut organisiert haben. Etwa 100 Studierende und Interessierte waren online zugeschaltet, um über das Thema „Gender“ aus theologischer Perspektive und mit Blick auf Soziale Arbeit zu diskutieren.
Es waren mehr als 100 Teilnehmende zugeschaltet, einige sitzen tatsächlich in Benediktbeuern vor den Rechnern, die meisten sind aber von überall her zugeschaltet, u. a. aus München, Augsburg, Landshut und aus Osnabrück. Luise Behringer, Professorin für Psychologie am Campus Benediktbeuern, die den Fachtag gemeinsam mit ihrer Kollegin Barbara Thiessen, Professorin für Soziale Arbeit und Gender Studies an der Hochschule Landshut, organisiert hat, freut sich über die rege Teilnahme im virtuellen Raum: „Wir hätten den Tag gerne in Präsenz durchgeführt, so muss unter winterlichen Bedingungen immerhin niemand anreisen und kann bequem von Zuhause aus teilnehmen.“
Der Nachmittag wird dennoch weniger gemütlich als vielmehr äußerst anregend, denn die Frage nach Gender als wissenschaftlicher Kategorie stellt sich allen Disziplinen, wie Sozialer Arbeit, Pädagogik und eben auch Theologie. Gerade dort wird über „gender“ mitunter hitzig diskutiert: Die Überlegungen zu Gender als „sozialem Geschlecht“ reicht von der Forderung nach Unisex-Toiletten an Hochschulen bis hin zur Frage, ob man „Gott*“ schreiben sollte, wie es die Katholische Jugend neuerdings macht. Um diesen Fragen fachlich fundiert nachgehen zu können, haben Behringer und Thiessen Prof. Margit Eckholt von der Universität Osnabrück eingeladen, die die Professur für Dogmatik und Fundamentaltheologie innehat. Sie hat auf dem Campus Benediktbeuern gelehrt und gilt heute als ausgewiesene und international anerkannte Expertin zu Gender in der katholischen Theologie.
Sie gibt einen kurzen Abriss über die Behandlung des Begriffs durch die Katholische Kirche und wie es aktuell in der theologischen Diskussion darum bestellt ist: „Die moderne Kirche vertritt ein Handeln, das geschlechtersensibel ist, also Vielfalt ermöglichen soll – wenn dies auch in der Bildungskongregation im Juni 2019 nicht schriftlich umgesetzt wurde,“ berichtet sie und führt aus, dass immer noch Homophobie und Ängste vor einer Auflösung traditioneller Familienformen die internen Debatten beeinflussen: „Dabei müsste die Frage letztlich heißen: Was ist das Bild, nach dem Menschen an sich geschaffen sind, und was ist überhaupt Menschsein?“
Eckholt sieht in der biblischen Schöpfungsgeschichte keine Hierarchie: „Dort steht - in der modernen Übersetzung – ‚Er erschuf den Menschen männlich und weiblich‘, eigentlich gibt es also keine Geschlechter-Determinierung, die sich aus der Bibel herauslesen ließe,“ so ihr Fazit des sogenannten „Imago Dei“, also der Frage nach dem Bild Gottes. Barbara Thiessen fasst in ihrem anschließenden Kommentar diese Idee noch einmal zusammen: „Die Idee des ‚Imago Dei‘ fordert zur Freiheit auf. Das ‚Ich‘ entwickelt sich erst mit seiner Biografie. Dazu braucht es auch ein unterscheidbares ‚Du‘ - Geschlecht ist vielleicht nur eine Chiffre dafür.“ Aus diesen Gründen sei eine Sensibilität gegenüber der Kategorie Gender besonders in der Sozialen Arbeit wichtig, wo Menschen in ihrer Entwicklung begleitet werden. Zudem „sehen wir oft die ‚dunkle Seite der Geschlechterdifferenzierung‘,“ wenn es etwa um Gewalt gegen Frauen oder um die Diskriminierung einer als abweichend geltenden Sexualität geht.
Zum Abschluss wird nach verschiedenen Workshops in Kleingruppen noch kontrovers diskutiert, wie Gleichberechtigung in den unterschiedlichen Berufsfeldern konkret werden kann und warum in der Katholischen Kirche Frauen nicht zum Priesteramt zugelassen sind. Die Antwort, dass ja Jesus ein Mann gewesen sei, lässt Margit Eckholt nicht gelten, denn schließlich hieße das ja: „dass, wenn wir wüssten, dass Jesus schwarzhaarig war, es auch nur schwarzhaarige Priester geben dürfe.“ Theologisch bedeutsamer sei dagegen, dass in der Figur des Christus Geschlechterdifferenzen als aufgehoben gelten.
So endet der Nachmittag mit der Feststellung, dass es noch einiges zu tun gibt, bis die Verschrän-kung von sozialem und biologischem Geschlecht auch in kirchlichen Kontexten als menschliche Bedingtheit verstanden wird und Gleichstellungsanliegen weiter vorangebracht werden. Margit Eck-holt gibt den Studierenden zum Abschluss den Rat: „Traditionen können nicht einfach abgeschnitten werden, denn es geht darum, Geschichte weiter zu entwickeln, indem man sich mit der Geschichte an sich beschäftigt.“ Das haben die Studierenden an diesem eindrücklichen Nachmittag auf alle Fälle mit großer Hingabe getan.